Warum wir häufig falsche Entscheidungen treffen

Wer kennt es nicht, das Gefühl, sich für das Falsche entschieden zu haben? Reue, Trauer um das Verlorene und Ärger über uns selbst sind die Folge und wecken in uns den Wunsch, die Zeit zurückdrehen zu können. Die richtige Wahl erscheint mit einem Mal so banal offensichtlich zu sein, dass wir selbst nicht begreifen, warum wir sie nicht zum Zeitpunkt der Entscheidung schon erkannten. Manchmal ist es sogar eine ganze Serie falscher Entscheidungen, welche uns eine Pechsträhne sondergleichen beschert und uns dazu veranlassen kann, uns selbst in Frage zu stellen.

Es sind banale Gedanken wie diese, die uns dann umtreiben: Warum habe ich diesen widerlichen, unbekannten Wassermelonen-Cocktail bestellt anstatt eines köstlichen Sex on the Beach? Ich hätte wissen können, dass Wassermelonenaroma immer nach Hubba Bubba schmeckt.
Oder auch etwas weitreichendere: Warum habe ich mein altes Auto verkauft? Das war zwar beinahe antik und ausgesprochen klapprig, aber wenigstens hatte man darin noch ein authentisches Fahrgefühl ohne diese ganze ausgleichende und kontrollierende Elektronik.
Auch die großen Themen des Lebens bleiben nicht verschont: Warum nur bin ich so früh schwanger geworden. Ich wünschte, ich hätte mein Leben noch mehr genießen können.

Es sind die kleinen falschen Entscheidungen, die unser Gewissen quälen und die großen, die sich zur Krux unseres Lebens aufbäumen können. Doch warum passiert es uns immer wieder, dass wir eine falsche Wahl treffen? Man sollte meinen, dass wir aus unseren Fehlern lernen. Es ist wahr, wir müssen etwas lernen, um die Kette der falschen Entscheidungen zu durchbrechen, doch eine Betrachtung der eigenen Fehlentscheidungen reicht hierbei nicht aus.

Was macht eine Entscheidung eigentlich zu einer falschen? Es ist unsere Unzufriedenheit mit dem von uns Gewählten. Sind wir mit dem Resultat unserer Wahl dagegen zufrieden, so bezeichnen wir sie als eine richtige Entscheidung.
Folglich ist nicht das objektive Resultat einer Entscheidung ausschlaggebend dafür, ob sie „richtig“ oder „falsch“ ist, sondern unsere Einstellung dazu. Können wir das Positive darin erkennen und damit zufrieden sein, so haben wir in unseren Augen eine richtige Entscheidung getroffen. Sehen wir jedoch nur das Negative, so erscheint uns die Entscheidung falsch zu sein. Die wenigsten Entscheidungen sind von Grund auf richtig oder falsch, sie werden es meist erst durch unsere Perspektive darauf.

(Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich darauf hinweisen, dass es in meinen Augen durchaus Entscheidungen gibt, die hiervon auszunehmen sind, doch über moralisch vertretbare und abzulehnende Entscheidungen zu philosophieren, würde den Rahmen dieses Artikels maßlos sprengen.)

Manch einer mag sich nun fragen, wie ein ekliger Cocktail, ein unsympathisches Fahrgefühl oder das Gefühl, einen Teil des Lebens verpasst zu haben, positiv wahrgenommen werden können sollen.
Die Frage ist berechtigt und kann wohl mit einem einstimmigen „gar nicht“ beantwortet werden. Die Kunst, aus einer „falschen“ Entscheidung eine „richtige“ zu machen besteht nicht in einer asketischen Annahme und Verklärung des Unangenehmen, sondern vielmehr darin, den Fokus von dem durch die Entscheidung Verlorenen auf das Gewonnene zu richten und diesem mehr Gewicht beizumessen. Zum Zeitpunkt der Entscheidungsfällung machen wir dies automatisch. Erst im Nachhinein kann es passieren, dass sich unser Augenmerk von den positiven Effekten der Entscheidung auf die negativen richtet. Daher kann es sehr hilfreich sein, sich an die eigenen Gründe zu erinnern, welche uns zu unserer Entscheidung bewogen. Sind diese überholt, so können wir versuchen, neue positive Aspekte unserer Wahl zu entdecken. Gelingt auch das nicht, so sollten wir in jedem Fall aufhören, uns mit den negativen Auswirkungen des Resultats zu martern. Das fortwährende Verfolgen negativer Gedankenmuster führt nur zu weiteren negativen Gedanken und verhindert ein Ende der Unzufriedenheit.

Was ich jedoch an meinen Entscheidungen wertschätzen kann, ist zum Beispiel Folgendes: Ich weiß nun, dass Wassermelonen-Cocktails mir nicht schmecken und kann mich und eventuell andere vor einem diesbezüglichen weiteren Geschmackseklat bewahren und wohlschmeckende Cocktails vielleicht noch ein bisschen besser genießen.
Oder ich kann ein völlig neues Fahrgefühl kennen und genießen lernen und das alte gleichzeitig als Erfahrungsschatz in meiner wertvollen Erinnerung bewahren.
Oder ich kann die Zeit mit meinem Kind stärker schätzen lernen und sehen, was das kleine Leben mir alles schon früh schenkte, was andere damals noch nicht erahnen konnten.

Ich wage nicht zu behaupten, dass es immer leicht fällt, den Blickwinkel zu verändern. Je intensiver wir in die Folgen einer Entscheidung auf emotionale Weise involviert sind, desto größer ist die Herausforderung, sich dem negativen Sog zu entziehen. Sicherlich sind wir dem nicht in jeder Lebenslage gewachsen, denn glücklicher Weise sind wir Menschen fühlende Wesen und somit häufig irrational. Doch inmitten des Gewirrs der großen und kleinen „richtigen“ und „falschen“ Entscheidungen, die unser Leben bestimmen, kann ein anderer, ein positiver Fokus eine neue Perspektive eröffnen. Sie kann uns Trost, Zuversicht und neue Energie schenken in den großen und kleinen Kümmernissen des Lebens, sie kann uns neue Seiten unseres Lebens entdecken lassen. Und selbst in der größten Verzweiflung kann sie als hoffnungsvolles Licht am Ende eines langen, schwarzen Tunnels für uns leuchten.

Es lohnt sich, einen Blick zu riskieren – in eine positivere Welt.

4 comments

  1. Hi ho,
    interessanter Artikel.
    Du sagst damit, dass es per se keine falschen Entscheidungen gibt und eine falsche Entscheidungen, wenn das Negative überwiegt, für den einen, kann im selben Kontext für den anderen eine Richtige sein?
    Inwieweit denkst du, dass man „falsche Entscheidungen“ durchleben muss, um daraus zu lernen?
    Wer oder was hilft mir, wenn diese „falschen Entscheidungen“ sich häufen und man aber da wieder raus kommen will?

    1. Hey Stephan,
      das sind sehr spannende Fragen, die du stellst, und ich denke, absolute Antworten gibt es darauf nicht. Doch deine erste Frage kann ich eindeutig mit ja beantworten. Genauso sehe ich das.

      Inwieweit ich denke, dass man „falsche“ Entscheidungen durchlaufen muss, um daraus zu lernen? Meiner Ansicht nach ist ein gewisses Pensum dieser Entscheidungen bei jedem Menschen vorhanden. Kein Kind hört auf jeden guten Ratschlag der Eltern und nicht immer führt ein gut gemeinter Ratschlag zu einer richtigen Entscheidung. Ich denke, der Mensch hat ein gewisses Bedürfnis, die Welt und sich selbst durch eigene Entscheidungen zu entdecken, dazu gehören auch die „falschen“. Die Summe aller „richtigen“ und „falschen“ Entscheidungen ermöglicht es uns, das zu finden, was uns wirklich gut tut, sei es bewusst oder ungewollt. Denn beide Entscheidungstypen bergen quasi immer das Potenzial, eine persönliche positive Erkenntnis daraus zu ziehen – manchmal ist sie größer, manchmal kleiner. Damit verbunden ist auch stets ein individuelles Entwicklungspotenzial, wenn die Entscheidung und ihre Konsequenzen reflektiert werden. „Falsche“ Entscheidungen gehören also einfach auf bereichernde Weise zum Leben dazu.

      Du fragst, was einem helfen kann, wenn die falschen Entscheidungen sich häufen. Ich denke, dann ist es umso wichtiger, sich vor Augen zu führen, was man für sich Positives aus den Entscheidungen ziehen kann. Denn alle Dinge haben zwei Seiten und eine davon ist immer eine sonnige. Das Entscheidende ist es, diese sonnige Seite zu finden und ihr das größte Gewicht aller Konsequenzen beizumessen. Das kann Berge versetzen. Die Suche kann manchmal einige Zeit dauern, doch sie ist es in jedem Fall wert! Denn sieht man erst den Gewinn der eigenen Entscheidung, so kann man daraus erfüllende Ansichten und Handlungskonsequenzen für das eigene Leben ableiten. Wichtig ist es dann, sich konkret zu visualisieren, in welchen realistischen Schritten man vorgehen möchte, um nun eine für sich richtige Entscheidung zu treffen, und diese dann tatsächlich umzusetzen. Und wenn Plan A nicht funktioniert, dann hält das Alphabet noch 25 weitere Buchstaben für Pläne bereit. Zum Thema „Visualisierung“ möchte ich auch noch einen Artikel verfassen. Der wird sicherlich auch interessant sein für dich. :)

      Ich hoffe, ich konnte dir ein paar inspirierende Antworten geben. Ich bin gespannt, was du darüber denkst!

  2. Ich muss hier widersprechen. Wenn es keine falschen Entscheidungen gibt, dann ist auch die Kategorisierung von richtig und falsch unnötig. Ebenso kann man hieraus ableiten, dass Entscheidungen irrelevant sind, wenn diese keine Konsequenzen haben. Ebenso ist die Definition einer richtigen beziehungsweise falschen Entscheidung eine postfaktische Perspektive. Nach dieser Definition kann, wie auch im Artikel aufgeführt, jede falsche Entscheidung zu einer richtigen Entscheidung deklariert werden. Dies hilft allerdings nicht faktisch richtige Entscheidungen zu treffen, sondern hilft bei der Bewältigung der faktisch falschen Entscheidungen. Eine bessere Möglichkeit die Qualität einer Entscheidung zu bewerten, erhält man, wenn die Zielsetzung vor der Entscheidung festlegt wird. Hierdurch kann die Entscheidung objektiv evaluiert werden. Durch die Festlegung einer Zielsetzung wird die Kategorisierung von richtig und falsch der Zielsetzung untergeordnet, weshalb aus einer falschen Entscheidung Lehren gezogen werden können. Hierdurch sind mehr Informationen für die nächste Entscheidung vorhanden, um ein besseres Resultat zu erreichen. Hierauf bist du bereits eingegangen und ich befürworte ein solches Verhalten. Folglich sind falsche Entscheidungen rudimentär zur Verbesserung der Entscheidungsfindung. Hierdurch kann man resümieren, dass falsche Entscheidungen die Konsequenz unkritischer Selbstreflektion sind.

    1. Das sind spannende Gedanken, die du aufwirfst! Rein rational betrachtet gebe ich dir Recht, dass eine Kategorisierung in richtige und falsche Entscheidungen überflüssig wird vor der Annahme, dass es keine per se falschen Entscheidungen gibt. Vielmehr geht es mir in dem Artikel jedoch um das subjektive Empfingen von „richtig“ und „falsch“ in Bezug auf eine Entscheidung und deren Konsequenzen, denn der Mensch neigt nun einmal zur Beurteilung seiner Umwelt.
      Doch ich stimme dir zu, dass eine solche subjektive Entscheidungsarbeit nicht zu einer ojektiven Evalutation dieser führt, wenngleich ich Objektivität an sich für ein schwieriges Konzept halte. Dein Gedanke, eine Entscheidung auf Grundlage einer Zielsetzung zu beurteilen, ist jedoch in jedem Fall sehr interessant. Auf diese Weise lässt sich die indivieuelle Entscheidungsfindung langfristig gesehen sicherlich verbessern, wodurch das Leben eine höhere persönliche Qualität erhalten kann.
      Alles in Allem sind die Konsequenzen einer Entscheidung allerdings nie in vollem Umfang im Voraus erfassbar, immer wieder gibt es Unwägbarkeiten, die unter anderem dazu führen können, dass wir eine zunächst im Positiven gefällte Entscheidung im Nachhinein als negativ empfinden. Gerade dann ist es so wichtig, sich bewusst zu machen, dass es die subjektive Wahrnehmung ist, die das Unvorhergesehene negativ beurteilt und einem das Gefühl einer „falschen“ Entscheidung vermittelt. Deine Aussage, eine falsche Entscheidung sei die Konsequenz unkritischer Selbstreflexion, finde ich sehr spannend, sehe sie vor diesem Hintergrund jedoch auch zwiespältig. Ohne jeden Zweifel kann eine fehlende Selbstreflexion die persönliche Unzufriedenheit aufgrund ungünstig gefällter Entscheidungen fördern, ebenso wie umgekehrt eine umfangreiche Reflexion zu einer insgesamt positiveren Entscheidungsbilanz führen kann – je größer die Grundlage der bisher gemachten Erfahrungen, desto größer fällt auch dieser Effekt aus. Einem jungen Menschen sind beispielseise noch keine solch umfangreichen Ressourcen gegeben wie einem älteren. Kann dennoch davon gesprochen werden, dass falsche Entscheidungen junger Menschen auf mangelnde Selbstreflexion zurück zu führen sind? Doch ganz gleich wie weit der eigene Erfahrungshorizont reicht, so können auf Basis der differenziertesten Reflexion im Zweifelsfall keine zuverlässigen Zukunftsaussagen getroffen werden. Eine „falsche“ Entscheidung ist in meinen Augen daher nicht zwangsläufig ein Indiz für unkritsche Selbstreflexion.
      Ich bin gespannt, wie du darüber denkst!

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